Klassismus und die Polizei: Weder Freund noch Helfer

Dass die Polizei kein “Freund und Helfer” ist, ist vielen bereits geläufig. Inwiefern das aus einer antiklassistischen Perspektive zutrifft, möchten wir im Folgenden erläutern.

Die Polizei ist ein staatliches Herrschaftsinstrument, das auf verschiedenste Weisen in unser aller Leben eingreift. Sie spiegelt wieder, wie die kapitalistische Gesellschaft mit Gruppen umgeht, die sie als randständig, nicht zugehörig, unbrauchbar und damit als zu bestrafend deklariert und ist daher nicht von der bestehenden klassistischen, rassistischen, sexistischen und anderweitig menschenverachtenden gesellschaftlichen Ordnung trennbar.

Schon von kleinauf wird uns vermittelt, dass die Polizei die Aufgabe hätte, für Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen. Ein Blick in die Geschichte der Polizei reicht um zu sehen, dass es immer nur um die Sicherheit bestimmter Gruppen, z.B. Wohlhabender und Eigentum besitzender Menschen ging. Schon seit dem Mittelalter ist es eine zentrale Aufgabe der Polizei, Überlebensstrategien abseits der Lohnarbeit zu bekämpfen. Während früher vorallem Bettler*innen, Obdachlose und Vagabund*innen verfolgt und zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, so werden auch heute noch Menschen, die Auswege aus der Armut suchen, kriminalisiert.

Die Polizei ist Vollstrecker einer klassistischen Politik, in dem sie z.B. Ersatzfreiheitsstrafen durchsetzt. Ersatzfreiheitsstrafen sind seit dem Freiheitsfond in aller Munde: Sie bezeichnen die Umwandlung eines Bußgeldes in eine Gefängnisstrafe, wenn Menschen das Bußgeld nicht bezahlen können. Diese Strafen machen aktuell knapp 10% der Gefängnisstrafen aus und treffen nur arme Menschen. Wer Geld hat, der spürt die meisten Bußgelder kaum.

Ein weiteres Beispiel ist ihre Rolle in Gentrifizierungsprozessen, also der Aufwertung armer Viertel. So trägt sie unter anderem dadurch zur Verdrängung armer Menschen bei, indem sie sie bei Zwangsräumungen auf die Straße setzt, Wohnungslose Menschen vertreibt oder die Investitionen reicher Menschen in armen Vierteln schützt. Erinnert sei hier an den Mord am Obdachlosen Marcel K. dieses Jahr in Berlin, der sich in eine lange Reihe von Gewalttaten gegen arme Menschen stellen lässt.

Die Polizei setzt eine Ordnung durch, in der Privateigentum über Menschenleben steht. Sie schafft Sicherheit für die einen auf der Grundlage der Gewalt gegen die “anderen” – also gegen Schwarze Menschen, Sinti und Roma, trans Personen und arme und geflüchtete Menschen. Sie erfahren durch die Polizei in der Regel keinen Schutz – im Gegenteil.
Die Kriminalisierung von Armut ist eine ihrer zentralen gesellschaftlichen Funktionen. Unabhängig von den einzelnen Polizist*innen ist die Polizei gezwungen, menschenverachtende und diskriminierende Verhaltensweisen auszuüben und zu reproduzieren. Deshalb ist die Polizei nicht reformierbar.

Daher teilen wir die Forderung des Abolitionismus – also der Abschaffung der Polizei. Der Freistaat Sachsen gibt jährlich knapp über eine Milliarde Euro für die Polizei aus. Statt in den repressiven Polizeiapparat sollte das Geld in beispielsweise in Maßnahmen zur Schaffung von bezahlbaren Wohnungen, einer besseren (psychischen) Gesundheitsversorgung oder der Schaffung von Bewegungsfreiheit und Klimagerechtigkeit fließen.

Im Kampf gegen Klassismus hat eine Institution, deren Aufgabe es ist, den kapitalistischen Status Quo und all seine Ungerechtigkeiten mit Gewalt gegenüber jenen durchzusetzen, die am meisten Grund haben, das System abzulehnen, keinen Platz. Wir vergessen nicht die zahlreichen Gewaltexzesse und Morde, insbesondere auch an Persons of Colour und von Ableismus betroffenen Menschen, mit deren Kämpfen wir uns solidarisch erklären.

Antiklassismus geht nur von unten, selbstverwaltet und emanzipatorisch. In diesem Sinne – Her mit dem schönen Leben!


Weitere Leseempfehlungen & Quellen:

https://copwatchleipzig.home.blog/

https://www.akweb.de/gesellschaft/die-geschichte-der-polizei-in-europa/

https://www.akweb.de/ausgaben/661/warum-sich-die-polizei-nicht-aendern-wird/

https://www.tagesspiegel.de/kultur/abolitionismus-als-utopie-ohne-polizei-und-gefangnisse-8612443.html

https://forum-opferhilfe.de/wir-haben-ein-zerrbild-von-kriminalitaet/

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